Der Kiwi
Nachts, wenn alle Tiere sich zur Ruhe begeben haben, um sich von den Anstrengungen des Tages zu erholen, wird der Wappenvogel Neuseelands aktiv. Nachdem der kleine, aus der Straußenfamilie stammende Vogel, den ganzen Tag verschlafen hat, begibt er sich auf Nahrungssuche.
Ausschließlich leise „Kiwii, Kiwii“ Rufe sind zu vernehmen und ein dumpfes „Quaack, Quaack“ schallt zurück. Mehr kann man meist nicht von dem Nationaltier und seinem Leben mitbekommen.
Das berühmteste Tier Neuseelands ist ein nachtaktiver Einzelgänger der so scheu ist, dass selbst Forscher Schwierigkeiten haben, alle Geheimnisse des Langschnabels zu lüften. Nur in einigen Regionen der Insel ist das Tier auch tagsüber zu beobachten und vereinfacht somit das Studium seines Verhaltens und seiner Lebensart.
Der Kiwi stammt aus der Familie der Schnepfenstrauße und ist ein Verwandter der Moa und der Emus. Kennzeichen für diese Verwandtschaft sind die Beine die im Vergleich zum Körper sehr lang sind. Seine Größe entspricht in etwa einem gewöhnlichen Haushuhn, das allerdings einen ca. 20 cm langen Schnabel hat, der als Werkzeug zur Nahrungsaufnahme dient. Der ulkige Vogel besitzt Federn, die gleichsam wie lange zusammenklebende Haare erscheinen. Seine Flügel bestehen nur aus kleinen Ansätzen. Diese haben sich mit der Zeit zurückgebildet, da der Vogel auf der Insel keine natürlichen Feinde hatte. Heutzutage hat sich die Anzahl der Kiwis dezimiert aufgrund der eingeführten europäischen Tiere wie Hunde, Katzen und Ratten. Wie zunächst nicht angenommen, hat sich auch das Opossum als Feind der Kiwis entpuppt und wird deswegen stark bejagt.
Bei einem Angriff durch einen Feind hat der laufstarke Vogel nur die Möglichkeit die Flucht zu ergreifen oder seinen Schnabel als Waffe einzusetzen – leider oft ohne Erfolg.
Von dem friedlich und plump wirkenden Vogel sind drei Arten bekannt. Die verbreitetste ist wohl die des braunen Kiwis. Mit 46-56 cm gehört er zu den größten Kiwis, während der kleine und große gefleckte Kiwi etwas kleiner und seltener sind. Alle Arten zeichnen sich durch Ihre Nachtaktivität aus. Keineswegs bedeutet dies, dass die Tiere die ganze Nacht auf Nahrungssuche gehen würden. Bei einer Schlafzeit von 20 Stunden pro Tag bleibt nur wenig Zeit, um mit dem Schnabel und den Krallen die Insekten aus dem Boden zu picken. Seine bevorzugte Speise sind Würmer und Larven. In der Regenzeit und der Zeit der Waldbeeren legen die Kiwis meist weite Strecken in der Nacht zurück.
Die weiblichen Tiere sind größer und geben dunklere Laute von sich als die Männchen. Nur zur Paarungszeit kann man die Einzelgänger zusammen beobachten. Wenn die Eier gelegt worden sind, ein bis zwei pro Jahr, die bis zu einem halben Kilo schwer werden und ein Viertel des Körpergewichts eines Kiwis ausmachen, lässt das weibliche Tier das Männchen mit den Eiern zurück. Dieser bebrütet die Eier in einer Zeit von 60-80 Tagen, bevor die Küken das Tageslicht erblicken. Sie ignorieren ihre Mutter vollkommen und schließen sich dem Vater an. Der kümmert sich auch nicht fürsorglich um die Jungen, mit der Folge, dass sie schon nach wenigen Tagen fähig sind, die Nahrung alleine ausfindig zu machen und zu sich zu nehmen. Die Kleinen wachsen recht schnell heran, sind hingegen aber erst nach fünf bis sechs Jahren geschlechtsreif.
Der Kiwi ist nicht nur das Wappentier Neuseelands, sondern auch gleichzeitig der Namensgeber für die Kiwi-Frucht und für den Spitznamen der Urbevölkerung, die sehr stolz darauf ist. Schon in frühen Zeiten spielte der Kiwi eine wichtige Rolle. Nach der Mythologie der Maori stand der Vogel unter dem Schutz der Göttin Haere-awa-awa und ist Kind des Tanemahuta, dem Schöpfer aller Vögel, Bäume und Menschen. Seine Federn dienten den Häuptlingen als Schmuck und verliehen ihnen Ansehen, während die 6 cm dicke Haut stets für die Umhänge benutzt wurde. Aus diesem Grunde wurde das Tier immer stark bejagt und als dann auch noch Einwanderer Interesse an den Produkten zeigten, nahm die Zahl der lebenden Kiwis immer mehr ab, während der Exporthandel drastisch anstieg.
Heute ist das Nationaltier vom Aussterben bedroht. Zum einen durch den Menschen, zum anderen, wie schon zuvor erwähnt, durch die starke Verbreitung der eingeführten Tiere. 1953 unternahm die Regierung zum ersten Mal etwas zum Schutz dieses Tieres und stellte es unter Naturschutz. Trotz dessen verringerte sich die Anzahl der Tiere seit dieser Zeit so sehr, dass eine Art des Kiwis fast vollständig ausgerottet zu sein schien und dies wiederum veranlasste die Regierung zu weiteren Aktionen. 1991 war es dann so weit: Ein Programm zum Schutz der bedrohten Tierart, das „Kiwi Recovery Programm“ wurde eingeführt. Dieses beinhaltet die Wiederherstellung des ursprünglichen Lebensraumes in Neuseeland. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Hunde und Katzen limitiert wird und sowohl Ratten und vor allem auch das Opossum in weitem Ausmaß gejagt werden. Ebenso wie man für den Kiwi einen perfekten Lebensraum herstellen möchte, versucht man an einer anderen Stelle, den Lebensraum des Kiwis noch stärker zu schützen. Auf einer kleinen Südinsel Neuseelands, auf Okarito, lebt der Streifenkiwi, einer der 3 Unterarten des Kiwis, der sich schon durch das kleinste Geräusch in seinem Lebensraum gestört fühlt. Alle Aufmerksamkeit gilt also dieser Art, da dort, wo Ruhe herrscht und die Natur geschützt werden kann, neben jener Art vielleicht noch die zwei anderen Arten einen perfekten Lebensraum finden können. Die Hoffnung ist groß, dass die Kiwis mit Hilfe ihrer menschlichen Namensvettern auf diese Weise überleben können.